Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.
Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht.

Albert Einstein

Durch jeden naturwissenschaftlichen Unterricht werden zwei grundverschiedene Welten miteinander in Kontakt gebracht: die Welt der „Naturwissenschaft“ und die Welt des „Lernenden“.

Die Naturwissenschaft auf der einen Seite ist ein von Menschen in langer Zeit, in vielen Entwicklungsschritten geschaffenes Kulturgut. Sie unterliegt einem stetigen Wandel und ist ein spezieller Zugang zur Welt. Für ein tieferes Weltverstehen sind weitere, zusätzliche Zugänge erforderlich. Der Lernende auf der anderen Seite erlebt vom Beginn seines Lebens an die Wirksamkeit der Naturgesetze, die die Ausformung und das Wachstum seines Körpers beeinflussen. Die Kultur, die das Kind umgibt, kommt als formender Faktor hinzu. Schrittweise bilden sich der Leib, das Gehirn, die Bewegungsfähigkeiten, die Sprache, die kognitiven Strukturen, und vieles mehr.

Traditionell wurde naturwissenschaftliche Bildung oft von der „Struktur der Wissenschaft“ her gedacht und unterrichtet, also von den wissenschaftlichen Konzepten, Begriffen und Inhalte her – eher inputorientiert.

Durch den mit der konstruktivistischen Lernauffassung verbundenen Paradigmenwechsel, wird immer stärker vom Lernenden her auf die „Wissenschaft“ geschaut. Begriffe wie „altersgerecht“ und „entwicklungsgerecht“ bekommen eine zentrale Bedeutung.

Mit höheren Klassenstufen, besonders in der gymnasialen Kursstufe, können beide Blickrichtungen, also die „vom Lernenden her“ und die „von der Wissenschaft her“ zunehmend in Konflikt miteinander geraten: Die von den Bildungsplänen geforderten wissenschaftsorientierten Kompetenzen, können nämlich von einer Vielzahl der Lernenden nur teilweise oder gar nicht erworben werden (siehe Tabelle, Datenerhebung etwa 1980), nicht nur wegen ihrer unterschiedlichen „Begabungen“, sondern auch wegen ihrer sehr unterschiedlich verfügbaren kognitiven Möglichkeiten. Dieser Konflikt wird dadurch verstärkt, dass die Lernenden wegen der früheren Einschulung und der kürzeren Schulzeit um bis zu zwei Jahre jünger sind als früher. Dazu kommt, dass die formal-kognitiven Kompetenzen den Lernenden heute scheinbar erst in einem späteren Lebensalter zur Verfügung stehen.

Die 3. Stufe bedarf bestimmter kognitiver Voraussetzungen!

Untersuchungen zu Kategorien nach Piaget in Gesamtschule (Ges) und Gymnasium (Gym)
nach Gottfried Merzyn: "Naturwissenschaften, Mathematik, Technik - immer unbeliebter?
Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler, 2008
Klassenstufen681012
Schulform Ges Gym Ges Gym Ges Gym Gym
Konkret-operational 100% 95% 78% 65% 88% 65% 46%
Im Übergang 0% 5% 22% 27% 12% 35% 47%
Formal-operational 0% 0% 0% 8% 0% 0% 7%

Viele Schülerinnen und Schüler scheinen selbst in der Kursstufe noch "formal blind" zu sein!

In einem Unterricht, der dies nicht berücksichtigt, der sich z. B. in der gymnasialen Kursstufe oder oft schon in tieferen Klassenstufen ausschließlich auf der formalen Stufe bewegt, fühlen sich viele Lernenden intellektuell überfordert und verabschieden sich innerlich endgültig vom naturwissenschaftlichen Unterricht. Es kann sich dann die zuvor beschriebene Aversion bilden, die auch dann noch anhält, wenn im Erwachsenenalter vielleicht das persönliche formale Verständnis vielleicht unbemerkt gereift ist, so dass jetzt das Formale eigentlich durchdrungen werden könnte.

Der springende Punkt der Freiburger Forschungsraumdidaktik und des damit verbundenen n-Prozess ist nun, dass die Lernenden, auch wenn sie noch nicht über die notwendigen formal-kognitiven Fähigkeiten verfügen, durch die ersten Stufen des n-Prozesses so viel Anregendes und Berührendes finden, dass sie im Boot bleiben, auch wenn sie ihre Defizite im Verstehen der für sie zu abstrakt erscheinenden Begriffsbildungen und mathematischen Beschreibungen erleben. Unumgänglich für das „Im-Boot-Behalten“ ist jedoch, dass auch die Lehrenden diese Defizite wohlwollend akzeptieren und ihre Wertschätzung einschließlich der Notengestaltung nicht nur von diesen Defiziten abhängig machen, sondern Stärken, die in anderen Kompetenzbereichen liegen, würdigen.